Der Beruf als Arzt beinhaltet, dass man sich um seine Patienten persönlich kümmert. Als Chirurg behandle ich nicht Organe oder Krankheiten, sondern Menschen. Die Betreuung nach einer Operation kann nicht delegiert werden bis absolut klar ist, dass keine Komplikationen mehr auftreten können. Der Status als Belegarzt erlaubt mir, meinen Patienten diese umfassende Betreuung zukommen zu lassen und es bereitet mir grosse Freude.
Selbstverständlich stehe ich, wenn notwendig, mit Ihrem Hausarzt oder dem zuweisenden Arzt in engem Kontakt oder ich ziehe, falls angezeigt, Spezialärzte aus anderen Fachgebieten zu. Aber grundsätzlich bin ich von Ihrem ersten Besuch in meiner Sprechstunde bis zum Abschluss der Behandlung derjenige Arzt, der für Sie und Ihre Krankheit zuständig ist und der die Verantwortung trägt. Zudem visitiere ich Sie während Ihres Spitalaufenthalts, wenn Sie eine Spitalzusatzversicherung haben (privat oder halbprivat), mindestens einmal im Tag persönlich, auch an den Wochenenden und Feiertagen. Für Fragen und Notfälle gebe ich Ihnen die Nummer meines Natels, das ich rund um die Uhr beantworte (ausser wenn ich am operieren bin).
Während meiner Ausbildungszeit war das Karriereziel eines jeden jungen Chirurgen, Chefarzt zu werden. Mir ging es nicht anders. Die Wahl in eine Chefarztposition durch eine kompetente Wahlkommission empfand ich als grosse Bestätigung meines fachlichen Könnens, aber auch des persönlichen Formats.
Anfänglich war ich gerne Chefarzt. Es freute mich, jungen Ärzten und insbesondere jungen Chirurgen eine Plattform für deren Entwicklung zu bieten und zudem eine Klinik zu leiten, die unserer Bevölkerung eine gute und menschliche chirurgische Versorgung gewährleistet.
Die Realität entwickelte sich leider anders. Chefärzte sind heutzutage weder Chef (das erledigen die Manager) noch Arzt (dafür haben sie neben Sitzungen, Administration und Bürokratie kaum mehr Zeit). Deshalb habe ich meinen Posten zur Verfügung gestellt und habe eine eigene Praxis als Belegarzt eröffnet.
Das englische System ist anders als das schweizerische. Es gibt keine Chefärzte in unserem Sinn. Die medizinische Versorgung in den Spitälern wird durch «Consultants» getragen, die medizinisch eigenverantwortlich arbeiten. Für hochspezialisierte Disziplinen, wie die Lebertransplantation, schliessen sich einige Consultants zusammen.
Die Lebertransplantation gilt als die «Königsdisziplin» in der Viszeralchirurgie. Wer diese Operation beherrscht, hat den Himalaya bestiegen. Ich war drei Jahre lang Consultant im Transplantationsteam am Addenbrooke's Hospital in Cambridge, wo seinerzeit die erste Leber in Europa transplantiert worden war. In dieser Zeit habe ich selbständig annähernd 100 Lebern transplantiert und viele weitere schwierige Operationen an der Leber, der Bauchspeicheldrüse, den grossen Bauchadern, etc. durchgeführt. Diese Erfahrung gibt mir bis heute grosse Sicherheit bei meinen Operationen.
Im Herbst 2012 verliess der Leitende Arzt für Übergewichtschirurgie kurzfristig die chirurgische Klinik des Kantonsspitals St. Gallen. Es drohte der vollständige Stillstand der Betreuung übergewichtiger Patienten. In dieser Situation trat die Direktion an mich heran und ich habe das Programm ohne zu zögern übernommen. Nach ein paar Monaten fand sich dann ein regulärer Nachfolger. Ich habe mich zurückgezogen, um mich – um eine grosse Erfahrung reicher – wieder zu hundert Prozent auf meine eigenen Patienten zu konzentrieren.
Im Winter 1989 zog die russische Besatzungsarmee aus Afghanistan ab. Aber statt dass sich die Kriegshandlungen beruhigten, flammte der Bürgerkrieg wieder auf. Das Spital des internationalen roten Kreuzes für afghanische Kriegsverletzte in Peshawar, Pakistan wurde mit Patienten überschwemmt. Deshalb stellte das Katastrophenhilfecorps Schweiz kurzfristig ein drittes chirurgisches Team zusammen, zu dessen Leiter man mich bestimmte. Während zweier Monate waren wir im Einsatz in Pakistan und konnten unzählige Kriegsverletzte, aber auch zivile Opfer von Tretminen, Frauen und Kinder versorgen. Es war eine sehr eindrückliche und prägende Erfahrung.
Thema der Habilitationsschrift: Zur Ursache und Entstehung der akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung. Universität Zürich
Thema der Dissertation: Bereitstellung von kompatiblem Blut für Patienten mit irregulären Blutgruppenantikörpern. Arbeit unter der Leitung von Prof. M. Frey-Wettstein, Departement Innere Medizin, Universitätsspital Zürich
Als Oberarzt macht man die ersten Schritte in eigener Verantwortung und tastet sich mit der Rückendeckung der fachlichen Vorgesetzten an grössere Eingriffe heran. Ich durfte diese am Universitätsspital Zürich auf der Notfallstation und der Klinik für Viszeralchirurgie erleben und genoss die Verantwortung, die mir als erster Ansprechpartner zukam.
Das Wertvollste meiner Assistenzarztzeit war die Möglichkeit, in fünf verschiedenen Kliniken mit fünf verschiedenen fachlichen Schwerpunkten zu lernen. Auch wenn ich schon wusste, dass ich Bauchchirurg werden wollte, erlaubte mir die Ausbildung auf der Unfall-, der Wiederherstellungs-, der Herzchirurgie und einer chirurgischen Klinik eines Regionalspitals mein Spektrum deutlich zu erweitern und von den Erfahrungen auch für die Viszeralchirurgie zu profitieren.